Sabeth Kemmler
Psychotraumatherapie (HPG) und Gründerin von AIM,
Schule für traumakompetente Achtsamkeit
AIM Kopfbild

 

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg

Weil traumatische Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit stören

Auf dem Weg, ein glückliches und selbstbestimmtes Beziehungsleben zu entwickeln, ist die von Marshall Rosenberg entwickelte gewaltfreie Kommunikation eins der besten Werkzeuge, das ich kenne. Denn Trauma bedeutet: In einer schlimmen Situation standen wir allein und ohne Hilfe und haben Schaden erlitten. Das belastet unser Vertrauen ins Leben, in andere Menschen und in uns selbst, und stört unsere Beziehungsfähigkeit erheblich.

Marshall arbeitet mit vier Kernelementen von Kommunikation: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. An allen vier Punkten lassen sich Störungen durch mögliche Traumareste vermuten. Hier exemplarisch ein paar Gedanken dazu:

Beobachtung

Wenn wir einiges Schwere wegpacken mussten, ging das meist auf Kosten unserer Wahrnehmungsfähigkeit – aus Schutzgründen haben wir sie eingeschränkt. Das begrenzt unser Vermögen, zu beobachten, was hier und jetzt geschieht. Gleichzeitig haben die unerledigten Dinge, die wir innerlich mit uns herumtragen, immer die Tendenz, auf sich aufmerksam zu machen. Unser Wesen strebt nach Freiheit und will, dass wir uns um Unerledigtes kümmern - das ist sinnvoll. Aber oft überlagern unsere ungeklärten Erfahrungen die aktuelle Situation, ohne dass es uns bewusst wird. Die Phänomene von Projektion und Übertragung gehören in diesen Zusammenhang ebenso wie das sog. Reenactment, die Wiederholung von schlechten Erfahrungen.
Wenn wir lernen, solche Vermischungen von früher und jetzt zu erkennen und damit zu arbeiten, können diese Phänomene uns dienlich sein - statt uns nur das Leben schwer zu machen.

Gefühl

Oft fällt uns der Umgang mit Gefühlen schwer, weil wir gelernt haben, sie automatisch zu betäuben - dann bemerken wir sie schlecht – oder weil wir so viel alte Ladung in uns tragen, dass unsere Gefühle schnell eine große Wucht entwickeln, die uns übertrieben vorkommt – wodurch wir gleich wieder geneigt sind, sie weg zu packen. So oder so fällt es uns schwer, unsere Gefühle vollständig genug zu erleben, um ihre Botschaft zu verstehen. Echte emotionale Kompetenz ist in unserer Gesellschaft selten. Das ist schade, denn unsere Gefühle und Emotionen sind allesamt von ihrer Natur her eine Quelle von Kraft, Information und Lebensfreude.

Bedürfnis

Unserer Gefühle haben eine Botschaft: Sie weisen auf Bedürfnisse hin. Sie sagen uns, was wir brauchen, was uns fehlt, was uns glücklich macht.
Wer durch starke Belastungen gegangen ist, hat die Erfahrung gemacht, dass wichtige Bedürfnisse nicht erfüllt wurden. Ein Schutz, um das zu ertragen, ist oftmals, das ungestillte Bedürfnis in sich zu betäuben und zu vergessen. Damit das besser klappt, entstehen für all die Enttäuschungen innere Erklärungen, die sich gegen uns selbst richten: „Ich habe es einfach nicht verdient, zu bekommen, was ich brauche. Ich bin es nicht wert. Ich bin eben nicht gut genug dafür. Ich bin falsch und selber schuld daran.“ Wenn diese negativen Selbstzuschreibungen aktiv werden, empfinden wir tiefe, zerstörerische Scham. Wir werden schwach und manipulierbar oder gewalttätig, um dieser inneren Not zu entkommen.
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit besteht darin, Werkzeuge zu vermitteln, mit denen man solche destruktiven Selbsturteile überwinden und neuen Zugang finden kann zu den eigenen authentischen Bedürfnissen.

Bitte

Wenn wir eine konkrete Bitte äußern, hilft das unserem Gegenüber, zu verstehen, was wir uns wünschen. Aber es ist schwer zu bitten, denn wer viel Scham in sich trägt, wird auch bei diesem Schritt davon blockiert. Wie peinlich, sich so zu zeigen! Wie verletzlich macht man sich!
Außerdem haben traumatische Erfahrungen uns gelehrt, wie ohnmächtig wir sein können. Wir konnten uns nicht helfen. Warum sollte es jetzt etwas nützen, etwas zu unternehmen? Oft hält uns die erlernte Hilflosigkeit in der Resignation gefangen.

Aber so muss es nicht bleiben. Mit einem guten Maß an Trauma-Edukation (Grundlagenwissen über Trauma), Integrationsfähigkeit und gezielten Übungen lassen sich Traumareste Schritt für Schritt auflösen und hindern uns nicht mehr daran, uns selbst und einander gut zu tun.

Ich unterrichte die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg seit 2005.

Mit dem Leben tanzen
wie die Blätter mit der Sonne,
wie die Pflanzen mit dem Regen,
wie die Vögel mit dem Wind,
mit dem Leben tanzen.

Marshall Rosenberg