Sabeth Kemmler
Psychotraumatherapie (HPG) und Gründerin von AIM,
Schule für traumakompetente Achtsamkeit
AIM Kopfbild

 

Joanna Macy: Active Hope – Hoffnung durch Handeln

Wie man die traumatypische Ohnmacht hinter sich lässt und zu dem Paradigmenwechsel beiträgt, den die Welt braucht. The Work That Reconnects – Arbeit, die wieder verbindet - nach Joanna Macy.

Menschen haben viel Zerstörung geschaffen. Sie beuten einander aus, sich selbst und den Planeten. Wie überwinden wir diese Gewalt? Ungelöstes Trauma bindet sehr viel Energie. Trauma hat mit Todesangst und Todesnähe zu tun (laut Definition bleibt es sich gleich, ob tatsächliche oder empfundene Todesnähe – für das Erleben bedeutet es keinen Unterschied).
Wenn traumatische Erfahrungen verarbeitet werden, wird die darin gebundene Energie frei. Gleichzeitig setzt sich das Bewusstsein mit den Themen Tod und Leben auseinander und wächst daran. Die Endlichkeit und Gefährdung des Lebens werden bewusst, können nicht mehr übersehen werden.

Joanna Macy, die über 90jährige Gründerin des weltweiten umweltpolitischen Netzwerkes „The Work that Reconnects“, arbeitet mit vier Schritten, um uns aus Ohnmacht und Resignation herauszuführen. In meinen Augen gelten diese für unsere individuelle Befreiung ebenso wie für die Rettung der Erde. Ich glaube, dass wir, die von Trauma genesen, aufgefordert sind, uns selbst und dem ganzen Leben zu helfen. Wie innen, so außen:

Being Grateful: Im ersten Schritt unterstützt Joanna Macy, sich all des Guten bewusst zu sein, was bereits da ist. Nicht irgend etwas zu beschönigen, sondern wertzuschätzen, was uns tatsächlich bereichert. Dem entspricht in der Trauma-Arbeit die Phase der Stabilisierung und Stärkung der Ressourcen.

Honoring Our Pain: Als nächstes ermutigt sie, sich der Belastungen bewusst zu werden. Sich den Schmerz, die Wut, die Ohnmacht einzugestehen, die Angst um unser persönliches Leben und um die Erde. Thich Nhat Hanh sagte einmal auf die Frage, was wir am dringlichsten tun müssen, um die Welt zu retten: „Was wir am dringendsten tun müssen, ist, in unserem Inneren zu hören, wie die Erde weint.“

Seeing With New Eyes: Im dritten Schritt hilft Joanna Macy, die Herausforderungen der heutigen Zeit zu verstehen. Große Entwicklungen geschahen auch in der Vergangenheit oft in plötzlichen Sprüngen. Mit Hilfe der Systemtheorie verdeutlicht sie, warum die hoch industrialisierte Wachstumsgesellschaft ultimativ selbstmörderisch handelt. Um dem zu entgehen, benötigen wir einen fundamentalen Paradigmenwechsel: Alle Lebensphänomene bedingen sich wechselseitig. Statt uns als isolierte Teile zu sehen, die gegeneinander kämpfen müssen, um zu überleben, erkennen wir Muster von Beziehungen, in uns und um uns. Letztlich folgt daraus, dass unser ursprüngliches Eigeninteresse nicht nur alle anderen Lebewesen mit einbezieht, sondern auch den ganzen lebendigen Körper der Erde.

Going Forth: Was die Traumaheilung ebenso wie die Weltlage von uns verlangt, ist ein Quantensprung in Mut und Kreativität. Auf dreifache Weise können wir zu den dringend benötigten Veränderungen in unserer Welt beitragen: 1. durch Aktionen, mit denen wir Nein sagen zu Ausbeutung und Gewalt, 2. durch unsere persönliche innere Heilung und Veränderung und 3. indem wir das Neue leben, das wir uns für die Welt wünschen.

Die Praxis der traumakompetenten Achtsamkeit unterstützt uns in allem, was Joanna Macy darlegt. Auf dieser Grundlage arbeite ich mit ihren Erkenntnissen und den vielen Übungen, die sie entwickelt hat, um uns zu ermächtigen, für den Schutz unserer Welt einzutreten, jede und jeder auf seine Weise.